Mai
Wann gelingt ein Unternehmensverkauf am besten?
Ein Unternehmensverkauf gelingt dann besonders gut, wenn das Unternehmen hervorragend dasteht und der Schritt entsprechend vorbereitet ist. Damit ein Unternehmen das erfolgreich umsetzen kann, lohnt insbesondere ein Blick in den Einkauf – gerade, weil Lieferzeiten und gestiegene Kosten derzeit problematisch sind.
Bernd Friedrich:
Jan Lehmann, Sie sind Experte für das Thema Einkauf. Warum ist das für Unternehmen im
Handwerk aktuell so wichtig?
Jan Lehmann:
Jedem leuchtet ein: „Wer günstiger einkauft hat am Ende mehr übrig“. Neben den Preissteigerungen ist aber aktuell die Liefersituation schwieriger geworden. So verzögern sich einerseits Projekte und bringen geplante Abläufe durcheinander, andererseits übersteigen die bezahlten bei der Angebotserstellung kalkulierten Kosten.
Höhere Einkaufspreise und Mehrkosten in der Projektumsetzung belasten wegen Ablaufproblemen die Kassenlage und Rendite. Trotz voller Auftragsbücher kann es also finanziell eng werden. Beide Probleme entstehen im Einkauf und sollten und können dort auch gelöst werden.
Jan Lehmann:
Herr Friedrich, Sie sind der Experte auf dem Gebiet der Nachfolge und haben in Ihrer mehr als zehnjährigen Beratungstätigkeit für eine Vielzahl von Betrieben die Nachfolge geregelt. Dabei spielt auch immer der (Verkaufs-)Preis für den abgebenden Unternehmenden eine sehr wichtige Rolle.
Wovon hängt dieser ab?
Bernd Friedrich:
Die Erzielung eines (zufriedenstellenden) Verkaufserlöses für ein Unternehmen hängt nicht nur von der Verkaufsfähigkeit des Betriebs ab, sondern auch vom „Loslassen“ des Unternehmenden. Um die Verkaufsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen, muss eine Unternehmenswertberechnung inklusive einer Stärken-/ Schwächen-Analyse vor dem Verkauf durchgeführt werden. Ergibt sich kein Wert, werden Abgebende keinen zufriedenstellenden Preis erwarten können.
Das bedeutet, dass der Betrieb von der betriebswirtschaftlichen Seite her und auch von den internen Prozessen und Abläufen so aufgestellt ist – möglicherweise auch noch verbessert wird – dass ein Nachfolgender ohne große Verwerfungen den laufenden Betrieb übernehmen und weiterentwickeln kann. Der Nachfolgende bezahlt weitestgehend für „die Vergangenheit“ und nur zum sehr kleinen Teil die Zukunft des Betriebs.
Das „Loslassen“ ist die größte Hürde für einen Abgebenden. Aussagen wie „Ich bin ja noch jung“, höre ich immer wieder. Die meisten Nachfolgereglungen scheitern an genau diesem Aspekt.
Bernd Friedrich:
Herr Lehmann, Sie waren viele Jahre als strategischer Einkäufer bei einem großen Konzern tätig. Was kann ein kleiner und mittelgroßer Handwerksbetrieb von Konzernen lernen?
Jan Lehmann:
Die Kosten im Handwerksbetrieb bestehen vor allem aus Personal- und Materialkosten. An den Materialkosten hängen allerdings noch Folgekosten. Die Bedarfe müssen ausgesucht, zusammengestellt und bestellt, die Ware angenommen und zum Ort des Bedarfs gebracht werden. Noch dazu gilt es, die Rechnung zu verbuchen und zu bezahlen. Ein erheblicher Teil der Personalkosten hängt also direkt mit der Materialbeschaffung zusammen und gar nicht mit der eigentlichen handwerklichen Tätigkeit. Neben den bezahlten Preisen spielen diese Prozesskosten eine wesentliche Rolle für Handwerker.
Große Firmen schauen sich in dem Zusammenhang regelmäßig neben den Einkaufs- auch diese Prozesskosten an und optimieren die Abläufe – bis hin zur Just-in-Time-Lieferung in der Automobilindustrie. Da diese Abläufe alle besser funktionieren, wenn das Material pünktlich, also just-in-time, geliefert wird, spielt der Liefertermin eine dominierende Rolle. Wer möchte schon wegen fehlender Klemmen oder Lichttaster ein weiteres Mal auf die Baustelle fahren? In der Kalkulation war das sicher nicht drin. Also mindert es den Gewinn und stört den Betriebsablauf.
Was man sich daher von großen Firmen abschauen kann, ist die systematische Analyse der Lieferanten. Also wie viel Umsatz mache ich mit welchen Lieferanten und in welcher Warengruppe? Dazu gehört auch eine Analyse der Bestellhöhen insgesamt. Große Bestellsummen (z. B. die Heizung bei einem Sanitärbetrieb) kann man meist noch verhandeln und Preisvergleiche lohnen sich hier besonders. Bei kleinen Bestellsummen (z. B. Büromaterial) sind meist die Prozesskosten höher als die Ware selbst, denn der Aufwand Stifte zu bestellen, Lieferungen anzunehmen und Rechnungen zu verbuchen ist im Vergleich viel höher. Hier gibt es pfiffige Ansätze zur Optimierung.
Jan Lehmann:
Herr Friedrich, Sie sprechen von dem „Nicht-los-lassen“ der Inhabenden. Warum stellt dieses aus Ihren Praxiserfahrungen eine sehr große Herausforderung dar? Wie kann dieses geheilt werden?
Bernd Friedrich:
Was lässt die Unternehmenden zögern? Angst. Angst vor Verlust von Einfluss und prominenter gesellschaftlicher Stellung in der Region, Stadt oder Branche. Verlust vor Akzeptanz und Macht vor nicht mehr selbstbestimmtem Handeln, und davor, etwas nicht mehr zu „unternehmen“ sowie der Wunsch nach ewiger Jugend und insbesondere der Sorge vor der großen „Leere“ nach der Betriebsübergabe.
Damit diese Hürde erst nicht entsteht, muss der Inhabende sich frühzeitig (am besten mit Anfang des 50. Lebensjahrs) aktiv mit diesem Prozess auseinandersetzen. Gemäß der häufig anzutreffenden Alpha-Tierchen-Eigenschaft „Ich will selbst bestimmen, wie ich meine Nachfolge regele bzw. ich möchte mir nicht von Kollegen, Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Freunden, Familienmitgliedern sagen lassen, wie es geht und insbesondere dann, falls es zu spät ist“. Hierzu ist es wichtig, die Frage zu beantworten: „Wie stelle ich mir mein Leben in der dritten Lebensphase (nach dem Betrieb) vor?“ Im nächsten Schritt eine Vision entwickeln, wie der
„ideale“ Nachfolger sein muss. Vielleicht die Suche in der Familie beginnen und Kommunikation mit möglichen Familienmitgliedern aufnehmen. Der Wunsch, dass der Nachfolger im eigenen Betrieb angestellt ist, steht häufig bei den Abgebenden an oberster Stelle. Unternehmende sind nicht angestellt, sondern sie unternehmen etwas. Auch die Bereitschaft von Angestellten künftig Risiken
(insbesondere finanzielle) zu übernehmen, ist sehr begrenzt. Das bedeutet, dass die oder der
Nachunternehmende i. d. R. nicht in der Belegschaft zu finden sind.
Bernd Friedrich:
Welche drei Tipps können Sie, Herr Lehmann, Inhabern eines Handwerksbetriebs geben, die sofort alleine angegangen und umgesetzt werden können?
Jan Lehmann:
Liefertermine, Lieferantenumsätze und Bestelldaten. Bei den Lieferterminen gilt es, Alternativen zu finden für zu lange Lieferfristen und eher unzuverlässige Lieferanten. Bei der Analyse der Lieferantenumsätze sollte man mit den wichtigsten Lieferanten bessere Einkaufs-, Zahlungs- und Lieferbedingungen verhandeln. Und bei der Analyse der Bestellsumme würde ich mir die großen Bestellsummen genauer anschauen: Kann man technisch anders konfigurieren, gibt es alternative Anbieter (Hersteller oder Händler)? Lässt sich ein besonderer Projektrabatt vereinbaren? Bei den kleinen Bestellsummen würde ich mir die Prozesse anschauen und versuchen zu optimieren.
Jan Lehmann:
Kommen wir, Herr Friedrich, nun zu der Verkaufsfähigkeit aufgrund der betriebswirtschaftlichen Kennwerte und Zahlen. Welche Empfehlungen können Sie grundsätzlich den künftig abgebenden Unternehmenden geben?
Bernd Friedrich:
Ein Unternehmenswert errechnet sich anhand der betriebswirtschaftlichen Zahlen aus der Vergangenheit und der Zukunft (Erwartungen). Der Erzielung dieser betriebswirtschaftlichen Zahlen unterliegen u. a. interne Prozesse und Abläufe. Zu diesen gehört auch ein oben beschriebener Einkaufsprozess. Erkennt der Übernehmende „die Wertigkeit“ aller Prozesse im Betrieb, ist er bereit auch einen höheren Kaufpreis zu zahlen. Weitere Schwachstellen des Betriebs, die keinen unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenswert haben, sind:
- Investitionsstau
- überalterte Belegschaft
- das fachliche Wissen der Mitarbeitenden ist nicht durch Fort- und Weiterbildung entwickelt
- der Betrieb hat vor Jahren die betriebliche Ausbildung nicht mehr fortgeführt
- der größte Teil der Umsätze und der Gewinne sind seit Jahren an ganz wenige Bestandskunden gekoppelt (Klumpenrisiko)
- Altlasten
- der „erste“ optische Eindruck (Außenwirkung)
Bernd Friedrich:
Sehr gute Unternehmensberater sind ja recht teuer. Kann sich ein kleines Unternehmen so etwas überhaupt leisten? Wie kommt ein kleines oder mittleres Unternehmen trotzdem an die Ideen, das Wissen und die Ergebnisse heran, was empfehlen Sie?
Jan Lehmann:
Die einfachste Maßnahme ist es, Artikel und Bücher zu dem Thema zu lesen oder sich durch Videos auf YouTube fortzubilden. Das verursacht keine Kosten, kostet aber Zeit und man ist langsamer in der Umsetzung möglicher Maßnahmen.
Seminare wären der nächste mögliche Schritt. Ein Mitarbeiter geht hin, fasst das Gelernte zusammen und berichtet dann den Kollegen. Zweimal je zwei Tage bringt mehr als einmal vier Tage. Workshops mit professioneller Begleitung sind ein guter Weg um Themen zu sichten, Maßnahmen zu definieren und dann zur Umsetzung zu bringen. Am schnellsten kommt man voran, wenn man sich während der Umsetzung noch begleiten lässt, sich also jede Woche 30 bis 60 Minuten mit dem Trainer bzw. Berater den Status anschaut und die nächsten Schritte bespricht.
Meine Kunden kaufen bei mir meist die Umsetzung selbst oder mindestens die komplette Begleitung des Prozesses. Für Unternehmen mit einem Einkaufsvolumen jenseits der 10 Mio. € lohnt das. Wer darunter liegt, sollte die Kombination aus Workshops und Begleitung wählen. Das Selbststudium ist ein Weg für eigenmotivierte Selbständige, die vorankommen wollen, aber keinen akuten Handlungsbedarf haben.
Wer nichts tut, wird vom Markt verschwinden. Man geht entweder mit der Zeit oder verschwindet mit der Zeit. Wer rastet, der rostet…
Jan Lehmann:
Wie können Inhabende eines Handwerkbetriebs die anstehenden Herausforderungen eines Nachfolgeprozesses bewältigen?
Bernd Friedrich:
Zunächst sollte der Unternehmende überlegen, ob es in seinem Betrieb einen vergleichbaren Geschäftsprozess gibt, an dem viele unterschiedliche Interessengruppen involviert sind: Abgebende, Übernehmende, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Familienmitglieder, Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare, Bänker, das Finanzamt usw. Diesen gibt es nicht.
Diese Interessen der o. g. Gruppen zu balancieren ist komplex. Insbesondere deshalb, weil der Abgebende Teil des Systems ist. Ferner vollzieht sich ein Nachfolgeprozess i. d. R. nur einmal im (Unternehmer-)Leben. Dieser wird in den Ausbildungseinrichtungen wie Schule, Meisterschule und Studium nicht vermittelt; deshalb fehlt (Erfahrungs-)Wissen. Hier eine Aussage eines Unternehmers nach erfolgreicher Nachfolgeregelung: „Ich kann meinen Betrieb führen und entwickeln. Aber meinen Betrieb verkaufen, das kann ich nicht“. Hierbei gibt es eine Vielzahl von „Fettnäpfchen“, in die man tritt.
Somit empfehle ich professionelle sowie vertrauensvolle Unterstützung in Form von Beratung. Jeder Nachfolgefall ist individuell und hoch emotional. Hier unterstütze ich die Aussage: „Wer nichts tut, wird vom Markt verschwinden“.
Zusammenfassung
Alternative Quellen bei langen Lieferzeiten, bessere Konditionen bei den umsatzstärksten Lieferanten und großen Bestellungen sowie geringere Kosten in der Handhabung geringwertiger Bestellumfänge sind kurzfristige Möglichkeiten, besser einzukaufen und seine Gewinnmarge zu verbessern.
Mit der Nachfolgeplanung und dem Unternehmensverkauf frühzeitig und professionell begleitet anzufangen, ist die wichtigste Botschaft für alle Unternehmer, die jenseits der 50 Jahre unweigerlich auf die „dritte Lebensphase“ zusteuern.
Zur Person und Rolle: Jan Lehmann
Nach Stationen in Planung, Projekt- und Fertigungsleitung beschaffte Jan Lehmann Produktionsanlagen für alle Werke der BMW Group weltweit. Seit 2021 unterstützt er mittelständischen Kunden der Automatisierungstechnik, des Maschinen- und Anlagenbaus und von Automobilzulieferern im strategischen Einkauf. Seine Mission: Den Einkauf zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil auszubauen, der dauerhaft zu verbesserter Lieferfähigkeit, Profitabilität und Liquidität verhilft.
Zur Person und Rolle: Bernd Friedrich
Nach 20 Jahren Berufserfahrung im Personalbereich in technischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen ist Bernd Friedrich seit 2012 selbstständig tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Beratung und Begleitung des Unternehmenden entwickelnder, produzierender und vertreibender technischer kleiner und mittlerer (Handwerks-)Betriebe auf dem Gebiet der Unternehmensnachfolge. Zusätzlich teilt er sein profundes Wissen und seine Erfahrungen aus der Praxis in Workshops und Webinaren.
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Wann gelingt ein Unternehmensverkauf am besten?
Ein Unternehmensverkauf gelingt dann besonders gut, wenn das Unternehmen hervorragend dasteht und der Schritt entsprechend vorbereitet ist. Damit ein Unternehmen das erfolgreich umsetzen kann, lohnt insbesondere ein Blick in den Einkauf – gerade, weil Lieferzeiten und gestiegene Kosten derzeit problematisch sind.
Bernd Friedrich:
Jan Lehmann, Sie sind Experte für das Thema Einkauf. Warum ist das für Unternehmen im
Handwerk aktuell so wichtig?
Jan Lehmann:
Jedem leuchtet ein: „Wer günstiger einkauft hat am Ende mehr übrig“. Neben den Preissteigerungen ist aber aktuell die Liefersituation schwieriger geworden. So verzögern sich einerseits Projekte und bringen geplante Abläufe durcheinander, andererseits übersteigen die bezahlten bei der Angebotserstellung kalkulierten Kosten.
Höhere Einkaufspreise und Mehrkosten in der Projektumsetzung belasten wegen Ablaufproblemen die Kassenlage und Rendite. Trotz voller Auftragsbücher kann es also finanziell eng werden. Beide Probleme entstehen im Einkauf und sollten und können dort auch gelöst werden.
Jan Lehmann:
Herr Friedrich, Sie sind der Experte auf dem Gebiet der Nachfolge und haben in Ihrer mehr als zehnjährigen Beratungstätigkeit für eine Vielzahl von Betrieben die Nachfolge geregelt. Dabei spielt auch immer der (Verkaufs-)Preis für den abgebenden Unternehmenden eine sehr wichtige Rolle.
Wovon hängt dieser ab?
Bernd Friedrich:
Die Erzielung eines (zufriedenstellenden) Verkaufserlöses für ein Unternehmen hängt nicht nur von der Verkaufsfähigkeit des Betriebs ab, sondern auch vom „Loslassen“ des Unternehmenden. Um die Verkaufsfähigkeit des Unternehmens sicherzustellen, muss eine Unternehmenswertberechnung inklusive einer Stärken-/ Schwächen-Analyse vor dem Verkauf durchgeführt werden. Ergibt sich kein Wert, werden Abgebende keinen zufriedenstellenden Preis erwarten können.
Das bedeutet, dass der Betrieb von der betriebswirtschaftlichen Seite her und auch von den internen Prozessen und Abläufen so aufgestellt ist – möglicherweise auch noch verbessert wird – dass ein Nachfolgender ohne große Verwerfungen den laufenden Betrieb übernehmen und weiterentwickeln kann. Der Nachfolgende bezahlt weitestgehend für „die Vergangenheit“ und nur zum sehr kleinen Teil die Zukunft des Betriebs.
Das „Loslassen“ ist die größte Hürde für einen Abgebenden. Aussagen wie „Ich bin ja noch jung“, höre ich immer wieder. Die meisten Nachfolgereglungen scheitern an genau diesem Aspekt.
Bernd Friedrich:
Herr Lehmann, Sie waren viele Jahre als strategischer Einkäufer bei einem großen Konzern tätig. Was kann ein kleiner und mittelgroßer Handwerksbetrieb von Konzernen lernen?
Jan Lehmann:
Die Kosten im Handwerksbetrieb bestehen vor allem aus Personal- und Materialkosten. An den Materialkosten hängen allerdings noch Folgekosten. Die Bedarfe müssen ausgesucht, zusammengestellt und bestellt, die Ware angenommen und zum Ort des Bedarfs gebracht werden. Noch dazu gilt es, die Rechnung zu verbuchen und zu bezahlen. Ein erheblicher Teil der Personalkosten hängt also direkt mit der Materialbeschaffung zusammen und gar nicht mit der eigentlichen handwerklichen Tätigkeit. Neben den bezahlten Preisen spielen diese Prozesskosten eine wesentliche Rolle für Handwerker.
Große Firmen schauen sich in dem Zusammenhang regelmäßig neben den Einkaufs- auch diese Prozesskosten an und optimieren die Abläufe – bis hin zur Just-in-Time-Lieferung in der Automobilindustrie. Da diese Abläufe alle besser funktionieren, wenn das Material pünktlich, also just-in-time, geliefert wird, spielt der Liefertermin eine dominierende Rolle. Wer möchte schon wegen fehlender Klemmen oder Lichttaster ein weiteres Mal auf die Baustelle fahren? In der Kalkulation war das sicher nicht drin. Also mindert es den Gewinn und stört den Betriebsablauf.
Was man sich daher von großen Firmen abschauen kann, ist die systematische Analyse der Lieferanten. Also wie viel Umsatz mache ich mit welchen Lieferanten und in welcher Warengruppe? Dazu gehört auch eine Analyse der Bestellhöhen insgesamt. Große Bestellsummen (z. B. die Heizung bei einem Sanitärbetrieb) kann man meist noch verhandeln und Preisvergleiche lohnen sich hier besonders. Bei kleinen Bestellsummen (z. B. Büromaterial) sind meist die Prozesskosten höher als die Ware selbst, denn der Aufwand Stifte zu bestellen, Lieferungen anzunehmen und Rechnungen zu verbuchen ist im Vergleich viel höher. Hier gibt es pfiffige Ansätze zur Optimierung.
Jan Lehmann:
Herr Friedrich, Sie sprechen von dem „Nicht-los-lassen“ der Inhabenden. Warum stellt dieses aus Ihren Praxiserfahrungen eine sehr große Herausforderung dar? Wie kann dieses geheilt werden?
Bernd Friedrich:
Was lässt die Unternehmenden zögern? Angst. Angst vor Verlust von Einfluss und prominenter gesellschaftlicher Stellung in der Region, Stadt oder Branche. Verlust vor Akzeptanz und Macht vor nicht mehr selbstbestimmtem Handeln, und davor, etwas nicht mehr zu „unternehmen“ sowie der Wunsch nach ewiger Jugend und insbesondere der Sorge vor der großen „Leere“ nach der Betriebsübergabe.
Damit diese Hürde erst nicht entsteht, muss der Inhabende sich frühzeitig (am besten mit Anfang des 50. Lebensjahrs) aktiv mit diesem Prozess auseinandersetzen. Gemäß der häufig anzutreffenden Alpha-Tierchen-Eigenschaft „Ich will selbst bestimmen, wie ich meine Nachfolge regele bzw. ich möchte mir nicht von Kollegen, Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten, Freunden, Familienmitgliedern sagen lassen, wie es geht und insbesondere dann, falls es zu spät ist“. Hierzu ist es wichtig, die Frage zu beantworten: „Wie stelle ich mir mein Leben in der dritten Lebensphase (nach dem Betrieb) vor?“ Im nächsten Schritt eine Vision entwickeln, wie der
„ideale“ Nachfolger sein muss. Vielleicht die Suche in der Familie beginnen und Kommunikation mit möglichen Familienmitgliedern aufnehmen. Der Wunsch, dass der Nachfolger im eigenen Betrieb angestellt ist, steht häufig bei den Abgebenden an oberster Stelle. Unternehmende sind nicht angestellt, sondern sie unternehmen etwas. Auch die Bereitschaft von Angestellten künftig Risiken
(insbesondere finanzielle) zu übernehmen, ist sehr begrenzt. Das bedeutet, dass die oder der
Nachunternehmende i. d. R. nicht in der Belegschaft zu finden sind.
Bernd Friedrich:
Welche drei Tipps können Sie, Herr Lehmann, Inhabern eines Handwerksbetriebs geben, die sofort alleine angegangen und umgesetzt werden können?
Jan Lehmann:
Liefertermine, Lieferantenumsätze und Bestelldaten. Bei den Lieferterminen gilt es, Alternativen zu finden für zu lange Lieferfristen und eher unzuverlässige Lieferanten. Bei der Analyse der Lieferantenumsätze sollte man mit den wichtigsten Lieferanten bessere Einkaufs-, Zahlungs- und Lieferbedingungen verhandeln. Und bei der Analyse der Bestellsumme würde ich mir die großen Bestellsummen genauer anschauen: Kann man technisch anders konfigurieren, gibt es alternative Anbieter (Hersteller oder Händler)? Lässt sich ein besonderer Projektrabatt vereinbaren? Bei den kleinen Bestellsummen würde ich mir die Prozesse anschauen und versuchen zu optimieren.
Jan Lehmann:
Kommen wir, Herr Friedrich, nun zu der Verkaufsfähigkeit aufgrund der betriebswirtschaftlichen Kennwerte und Zahlen. Welche Empfehlungen können Sie grundsätzlich den künftig abgebenden Unternehmenden geben?
Bernd Friedrich:
Ein Unternehmenswert errechnet sich anhand der betriebswirtschaftlichen Zahlen aus der Vergangenheit und der Zukunft (Erwartungen). Der Erzielung dieser betriebswirtschaftlichen Zahlen unterliegen u. a. interne Prozesse und Abläufe. Zu diesen gehört auch ein oben beschriebener Einkaufsprozess. Erkennt der Übernehmende „die Wertigkeit“ aller Prozesse im Betrieb, ist er bereit auch einen höheren Kaufpreis zu zahlen. Weitere Schwachstellen des Betriebs, die keinen unmittelbaren Einfluss auf den Unternehmenswert haben, sind:
- Investitionsstau
- überalterte Belegschaft
- das fachliche Wissen der Mitarbeitenden ist nicht durch Fort- und Weiterbildung entwickelt
- der Betrieb hat vor Jahren die betriebliche Ausbildung nicht mehr fortgeführt
- der größte Teil der Umsätze und der Gewinne sind seit Jahren an ganz wenige Bestandskunden gekoppelt (Klumpenrisiko)
- Altlasten
- der „erste“ optische Eindruck (Außenwirkung)
Bernd Friedrich:
Sehr gute Unternehmensberater sind ja recht teuer. Kann sich ein kleines Unternehmen so etwas überhaupt leisten? Wie kommt ein kleines oder mittleres Unternehmen trotzdem an die Ideen, das Wissen und die Ergebnisse heran, was empfehlen Sie?
Jan Lehmann:
Die einfachste Maßnahme ist es, Artikel und Bücher zu dem Thema zu lesen oder sich durch Videos auf YouTube fortzubilden. Das verursacht keine Kosten, kostet aber Zeit und man ist langsamer in der Umsetzung möglicher Maßnahmen.
Seminare wären der nächste mögliche Schritt. Ein Mitarbeiter geht hin, fasst das Gelernte zusammen und berichtet dann den Kollegen. Zweimal je zwei Tage bringt mehr als einmal vier Tage. Workshops mit professioneller Begleitung sind ein guter Weg um Themen zu sichten, Maßnahmen zu definieren und dann zur Umsetzung zu bringen. Am schnellsten kommt man voran, wenn man sich während der Umsetzung noch begleiten lässt, sich also jede Woche 30 bis 60 Minuten mit dem Trainer bzw. Berater den Status anschaut und die nächsten Schritte bespricht.
Meine Kunden kaufen bei mir meist die Umsetzung selbst oder mindestens die komplette Begleitung des Prozesses. Für Unternehmen mit einem Einkaufsvolumen jenseits der 10 Mio. € lohnt das. Wer darunter liegt, sollte die Kombination aus Workshops und Begleitung wählen. Das Selbststudium ist ein Weg für eigenmotivierte Selbständige, die vorankommen wollen, aber keinen akuten Handlungsbedarf haben.
Wer nichts tut, wird vom Markt verschwinden. Man geht entweder mit der Zeit oder verschwindet mit der Zeit. Wer rastet, der rostet…
Jan Lehmann:
Wie können Inhabende eines Handwerkbetriebs die anstehenden Herausforderungen eines Nachfolgeprozesses bewältigen?
Bernd Friedrich:
Zunächst sollte der Unternehmende überlegen, ob es in seinem Betrieb einen vergleichbaren Geschäftsprozess gibt, an dem viele unterschiedliche Interessengruppen involviert sind: Abgebende, Übernehmende, Mitarbeiter, Kunden, Lieferanten, Familienmitglieder, Steuerberater, Rechtsanwälte, Notare, Bänker, das Finanzamt usw. Diesen gibt es nicht.
Diese Interessen der o. g. Gruppen zu balancieren ist komplex. Insbesondere deshalb, weil der Abgebende Teil des Systems ist. Ferner vollzieht sich ein Nachfolgeprozess i. d. R. nur einmal im (Unternehmer-)Leben. Dieser wird in den Ausbildungseinrichtungen wie Schule, Meisterschule und Studium nicht vermittelt; deshalb fehlt (Erfahrungs-)Wissen. Hier eine Aussage eines Unternehmers nach erfolgreicher Nachfolgeregelung: „Ich kann meinen Betrieb führen und entwickeln. Aber meinen Betrieb verkaufen, das kann ich nicht“. Hierbei gibt es eine Vielzahl von „Fettnäpfchen“, in die man tritt.
Somit empfehle ich professionelle sowie vertrauensvolle Unterstützung in Form von Beratung. Jeder Nachfolgefall ist individuell und hoch emotional. Hier unterstütze ich die Aussage: „Wer nichts tut, wird vom Markt verschwinden“.
Zusammenfassung
Alternative Quellen bei langen Lieferzeiten, bessere Konditionen bei den umsatzstärksten Lieferanten und großen Bestellungen sowie geringere Kosten in der Handhabung geringwertiger Bestellumfänge sind kurzfristige Möglichkeiten, besser einzukaufen und seine Gewinnmarge zu verbessern.
Mit der Nachfolgeplanung und dem Unternehmensverkauf frühzeitig und professionell begleitet anzufangen, ist die wichtigste Botschaft für alle Unternehmer, die jenseits der 50 Jahre unweigerlich auf die „dritte Lebensphase“ zusteuern.
Zur Person und Rolle: Jan Lehmann
Nach Stationen in Planung, Projekt- und Fertigungsleitung beschaffte Jan Lehmann Produktionsanlagen für alle Werke der BMW Group weltweit. Seit 2021 unterstützt er mittelständischen Kunden der Automatisierungstechnik, des Maschinen- und Anlagenbaus und von Automobilzulieferern im strategischen Einkauf. Seine Mission: Den Einkauf zu einem strategischen Wettbewerbsvorteil auszubauen, der dauerhaft zu verbesserter Lieferfähigkeit, Profitabilität und Liquidität verhilft.
Zur Person und Rolle: Bernd Friedrich
Nach 20 Jahren Berufserfahrung im Personalbereich in technischen Unternehmen aus unterschiedlichen Branchen ist Bernd Friedrich seit 2012 selbstständig tätig. Sein Schwerpunkt liegt in der Beratung und Begleitung des Unternehmenden entwickelnder, produzierender und vertreibender technischer kleiner und mittlerer (Handwerks-)Betriebe auf dem Gebiet der Unternehmensnachfolge. Zusätzlich teilt er sein profundes Wissen und seine Erfahrungen aus der Praxis in Workshops und Webinaren.
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